Der Dachshund 5-2019 - page 10

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5 · 2019
D
ie Zucht von Haus- und Nutz-
tieren
zielt
darauf
ab,
bestimmte
gewünschte
Merkmale soweit zu fixieren,
dass sie möglichst von allen Tieren einer
Zuchtpopulation vererbt werden und
deren Nachkommen dieseMerkmale eben-
falls aufweisen. Der Erfolg bei den Nach-
kommen bestimmt so den Zuchtwert des
einzelnen Elterntieres.
Einzelne Merkmale in einer Population
sicher vererbbar zu machen, bedeutet die
dafür verantwortlichen Erbanlagen soweit
anzureichern, dass sie möglichst sicher an
die Nachkommen weitergegeben werden.
Dies gelingt ameffektivsten durch Inzucht,
der Paarung naher Verwandter.
Zwangsläufig steigt bei solchen Paarun-
gen auch die Wahrscheinlichkeit des Aufei-
nandertreffens defekter Anlagen, die bis
dahin nur in einzelnen Tieren im Trägersta-
tus vorlagen und durch eine gesunde
Anlage kompensiert worden waren. Das
Auftreten
gesundheitlicher
Probleme
infolge von Inzucht bezeichnet man als
Inzuchtdepression.
Das Maß einer Inzucht ist der Inzuchtkoef-
fizient (IK). Er gibt die Wahrscheinlichkeit
an, mit der bei der Verpaarung von ver-
wandten Tieren in deren Nachkommen die
Erbanlagen an einem DNA-Ort, nicht durch
Zufall gleich sein würden, sondern weil
diese von einem gemeinsamen Vorfahren
stammen.
Je höher der IK-Wert, desto ausgeprägter
die Inzucht einer Paarung. Finden sich in
den Ahnen mehrere gemeinsame Vorfah-
ren, addieren sich deren Beiträge. Der
Inzuchtkoeffizient einer Geschwisterpaa-
rung, ohne Kenntnis weiterer gemeinsa-
mer Vorfahren, liegt beispielsweise bei 25
Prozent; derselbe IK ist bei einer Eltern-
Kind-Paarung gegeben, wobei bei Paarung
von Verwandten 1. Grades nicht mehr von
Inzucht, sondern von Inzest gesprochen
wird. Der Inzuchtkoeffizient einer Paarung,
ohne Berücksichtigung vorheriger Genera-
tionen, ist die Hälfte des Verwandtschafts-
koeffizienten (VK) der beiden Tiere. Dieser
gibt den Anteil der DNA-Orte an, die zwei
Tiere aufgrund ihrer Abstammung im Mit-
tel gemeinsam haben. So haben Vollge-
schwister 50 Prozent der Erbanlagen
gemeinsam, Halbgeschwister 25 Prozent.
Der IK bewertet demnach die Wirkung
einer Paarung auf die DNA-Zusammenset-
zung der Nachkommen, der VK das Ver-
hältnis der beiden Paarungspartner unter-
einander. Eine Formel zur Berechnung des
IK, unter Berücksichtigung der Verwandt-
schaftsverhältnisse über mehrere Genera-
tionen, hat S. Wright
1
bereits 1922 vorge-
stellt. Diese ist in den meisten Computer-
programmen hinterlegt, die heute zur
Berechnung eingesetzt werden. Jede
Berechnung setzt jedoch voraus, dass die
Abstammungsangaben über die Generati-
onen hinweg korrekt sind.
Stehen Stammbaumdaten zur Verfügung,
wird als Parameter der Inzucht oft auch der
Ahnenverlust angegeben. Ein solcher ist
gegeben, wenn im Stammbaum eines Tie-
res über eine bestimmte Anzahl an Gene-
rationen ein Tier mehrfach auftritt.
Betrachtet man zum Beispiell einen Zeit-
raum von fünf Generationen, gibt es maxi-
mal 62 verschiedene Ahnen. Wenn darun-
ter ein Tier dreimal vorkommt, führt dies
zu einem Ahnenverlust von zwei. Finden
sich mehrere Tiere mehrfach in den Ahnen,
addieren sich die einzelnen Verlustwerte.
Der Ahnenverlustkoeffizient (AVK) errech-
net sich dann aus der Anzahl der tatsächli-
chen Ahnen, geteilt durch die Anzahl der
maximal möglichen Ahnen. Ein AVK
berücksichtigt jedoch nicht, in welcher
Generation ein Vorfahre zusätzlich auf-
tritt. Im (theoretischen) Extremfall wären
alle 16 Rüden der fünften Generation aus
dem Beispiel gleich, wodurch sich die
Anzahl der tatsächlichen Ahnen eines Indi-
viduums auf 46 reduziert. Trotz eines AVK
von 74 Prozent wäre die Inzucht im beur-
teilten Tier jedoch gering (0,195 Prozent).
Beurteilung der
genetischen Vielfalt
in der Tierzucht
Teil 1: Verwandtschaft,
Inzucht und Ahnenverlust
(-koeffizienten)
Teckel
&
Jagd
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