Teckel
&
Jagd
216
|
10 · 2018
§
§
D
as brandenburgi-
sche Amtsgericht
Zossen durfte
mit Urteil vom
28.5.2018 klarstellen, dass
Hundekäufer nicht ohne
Weiteres beliebige Beträge
zurückerhalten. In einem
zugegebenermaßenen selte-
nen Fall völlig unzureichenden
Prozessvortrages scheiterte der kla-
gende Käufer aus mehreren Gründen.
Der Fall selbst ist irgendwie Standard: Der
Kläger nimmt die Beklagte auf Minderung
des Kaufpreises für einen Hund sowie auf
Schadenersatz in Höhe der tierärztlichen
Behandlungskosten in Anspruch. Der Kauf-
vertrag lautete auszugsweise: „Der Züch-
ter gewährleistet eine Garantie für gene-
tisch verursachte Erbkrankheiten bis zum
24. Lebensmonat des erworbenen Hundes
.... Die Erkrankung muss von einem unab-
hängigen Tierarzt (...) als genetische Erkran-
kung festgestellt worden sein. Zahnfehl-
stellungen gelten nicht als genetische
Erkrankungen, da diese durch vielerlei
äußere Einflüsse entstehen können. Sollte
eine genetisch bedingte Erbkrankheit fest-
gestellt worden sein, hat der Halter die
Möglichkeit, die Hälfte der Kaufsumme für
tierärztliche Rechnung zu fordern oder den
Hund gegen einen gesunden Hund aus
dem nächsten Wurf des Züchters auszu-
tauschen.“
Kurz nach der Übergabe bescheinigte der
Tierarzt dem Kläger Folgendes: „Ihr Minia-
ture-Bullterrier-Rüde X, geb. am…, leidet an
einem Unterkiefer-Caninus-Steilstand 2.
bis 3. Grades. Ob die Bescheinigung das
streitgegenständliche Tier betrifft, ist
streitig. Der Kläger behauptet, es handele
sich bei der festgestellten Zahnfehlstellung
um eine erblich bedingte Erkrankung. Er ist
der Ansicht, der Hund sei von Anfang an
mangelhaft gewesen. Der Beklagten sei die
Fehlstellung auch Übergabe bekannt
gewesen. Zunächst hat der Kläger behaup-
tet, die Fehlstellung der Zähne sei tierärzt-
lich korrigiert worden und ihm seien hier-
für Kosten entstanden. In der mündlichen
Verhandlung trägt er vor, die Zähne hätten
sich wieder verschoben und es seien wei-
tere Behandlungen zu erwarten. Das
Gericht wies die Klage sowohl betreffend
den Schadenersatz als auch hinsichtlich
der 50 Prozent Minderung ab. Ein Anspruch
auf Minderung aufgrund des in dem Kauf-
vertrag
enthaltenen
selbstständigen
Garantieversprechens ist nicht gegeben.
Von der in Ziffer 2 des Vertrages enthalte-
nen Garantiezusage betreffend Erbkrank-
heiten sind Zahnfehlstellungen ausdrück-
lich ausgenommen. Da es sich bei dem
Garantieversprechen um ein über die
gesetzlichen Regelungen des Gewährleis-
tungsrechts hinausgehende Leistung han-
delt, zu der der Ver-
käufer nicht ver-
pflichtet ist, ist
der vertraglich
vorgenommene
Ausschluss nicht
zu beanstanden.
Ein Anspruch auf
Minderung des Kauf-
preises besteht auch
nicht gem. §§ 437 Nr. 2, 440
BGB. Das Vorbringen ist nicht ausrei-
chend, um davon auszugehen, dass der
dem Kläger verkaufte Hund im Zeitpunkt
des Gefahrübergangs mit einem Sachman-
gel behaftet war. Zudem fehlt es an einem
auch im Falle der Minderung erforderlichen
Nacherfüllungsverlangen des Klägers. Die
von dem Kläger behauptete Zahnfehlstel-
lung des Hundes, ein sog. Unterkiefer-Cani-
nus-Steilstand, führt nicht zu einer gemin-
derten Gebrauchstauglichkeit. Zur übli-
chen Beschaffenheit eines Tieres gehört
nicht, dass es in jeder Hinsicht einer biolo-
gischen oder physiologischen Idealnorm
entspricht. Diese Wertung trägt dem
Umstand Rechnung, dass es sich bei Tieren
um Lebewesen handelt, die einer ständi-
gen Entwicklung unterliegen und die –
anders als Sachen – mit individuellen Anla-
gen ausgestattet und dementsprechend
mit sich daraus ergebenden unterschiedli-
chen Risiken behaftet sind. Gewisse –
erworbene oder genetische bedingte –
Abweichungen vom physiologischen Ideal-
zustand kommen bei Lebewesen erfah-
rungsgemäß häufig vor. Der Käufer eines
Tieres kann daher nicht erwarten, dass er
auch ohne besondere Vereinbarung ein
Tier mit „idealen“ Anlagen enthält, sondern
muss im Regelfall damit rechnen, dass das
von ihm erworbene Tier in der einen oder
anderen Hinsicht physiologische Abwei-
chungen vom Idealzustand aufweist, wie
sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich
sind. Auch die damit verbundenen Risiken
für die spätere Entwicklung des Tieres sind
für Lebewesen typisch und stellen für sich
genommen noch keinen vertragswidrigen
Zustand dar, denn der Verkäufer eines Tie-
res haftet nicht für den Fortbestand des
bei Gefahrübergang gegebenen Gesund-
heitszustands. Allein das hier streitige Vor-
liegen einer Zahnfehlstellung des Hundes
– ist ohne Hinzutreten weitere Umstände
– nicht als Mangel zu bewerten. Dies gilt
insbesondere auch deshalb, weil es sich –
so jedenfalls ist das klägerische Vorbringen
auszulegen – um eine für einen Bullterrier
nicht ungewöhnliche Erkrankung handelt.
Weitere Umstände, die ausnahmsweise
eine Wertung als Mangel rechtfertigen,
wurden von dem Kläger nicht dargelegt.
Auch das Vorbringen des Klägers in der
mündlichen Verhandlung, die Zähne des
Tieres hätten sich wieder verschoben und
es stehe eine weitere Behandlung an, ist
zur substantiierten Darlegung eines bei
Gefahrübergang bestehenden Mangels
nicht ausreichend. Der Verweis auf immer
wieder erforderliche ärztliche Aufwendun-
gen ist nicht hinreichend konkret. Die ent-
sprechenden tierärztlichen Behandlungs-
unterlagen wurden trotz entsprechender
richterlicher Auflage (die hart an der Grenze
zur Verletzung der richterlichen Neutralität
und als dem Zivilprozess fremde quasi
Amtsermittlung durchaus bedenklich war)
nicht vorgelegt. Der Kläger wurde so gese-
hen erfolglos zum Jagen getragen. Darüber
hinaus fehlt es für die Durchsetzung von
Mangelrechten auch an einem vorherge-
henden fristbewehrten Nacherfüllungsver-
langen des Klägers. Dieses wird nur bei Vor-
liegen besonderer Umstände, insbesondere
bei Unzumutbarkeit der Nacherfüllung, in
Betracht kommen. Auch hier war der kläge-
rische Vortrag gelinde gesagt lückenhaft.
Besondere Umstände in Form der Unzu-
mutbarkeit der Nacherfüllung können
gerade nicht darin gesehen werden, dass es
sich im Streitfall bei dem Kaufgegenstand
um einen Hund gehandelt hat. Auch beim
Tierkauf sind grundsätzlich die kaufrechtli-
chen Gewährleistungsvorschriften umfas-
send anzuwenden. Im Streitfall wäre eine
Nachbesserung durch einen tierärztlichen
Eingriff in Betracht gekommen. Gründe, die
für eine Unzumutbarkeit der Vornahme
eines solchen Eingriffs sprechen, sind nicht
ersichtlich. Im Gegenteil, der Kläger hat die
Durchführung eines solchen Eingriffs bei
dem Tier veranlasst, ohne allerdings der
Beklagten vorab hierzu eine Möglichkeit zu
geben. Eine besondere Eilbedürftigkeit
wurde bemerkenswerterweise nicht ein-
mal vorgetragen. Ein Anspruch des Klägers
gegen die Beklagte auf Schadenersatz
neben der Leistung scheiterte am nicht vor-
liegenden Mangel, der fehlenden Fristset-
zung und auch ein Verschulden der Beklag-
ten war vom Kläger nicht dargelegt wor-
den. Diese hat vorgetragen, sie habe sorg-
fältig im Rahmen der Zuchtordnung des X
e.V. gezüchtet. Dem ist der Kläger nicht
entgegengetreten. Eine Rechtsschutzversi-
cherung kann die nicht unerheblichen Pro-
zessrisiken, die durch die Notwendigkeit
von Gutachten ggf. verschärft werden,
abfedern. Denn auch der Prozessgewinner
kann auf beträchtlichen Kosten sitzen blei-
ben, wenn der Schuldner nicht liquide ist,
zumal außergerichtliche Anwaltskosten
des Angegriffenen meist nicht vom Angrei-
fer zu erstatten sind.
Grundsätzlich sollte man seine Ansprüche
nicht ohne rechtlichen Beistand verfolgen,
gleiches gilt naturgemäß für die Verteidi-
gung gegen vermeintliche Ansprüche.
Hilfe bei der Anwaltssuche bietet der
Deutsche Anwaltverein unter www.
anwaltauskunft.de.
RA Frank Richter,
Mangelansprüche
beim Tierkauf
sind kein
Selbstläufer