Der Dachshund 10-2020

Teckel & Jagd 200 | 10 · 2020 E s gibt verschiedene Ansätze, das Risiko für eine Bandschei- benerkrankung mit dem letzt- endlichen Vorfall der Band- scheibe zu erklären. Drei Faktoren wurden in der internationalen Literatur intensiv untersucht. Das sind: 1. die Verkalkung der Bandscheiben, 2. die molekulare Zusammensetzung der Bandscheiben,. 3. körperliche Merkmale, die das Risiko beeinflussen. Anatomie der Bandscheibe (Diskus intervertebralis) Die Bandscheibe besteht aus einem äuße- ren Faserring (Anulus fibrosus) und einem zentral gelegenen Gallertkern (Nucleus pulposus). Innerhalb des Anulus fibrosus unterscheidet man eine Außen- und eine Innenzone (Abbildung 1). Die äußere Zone besteht aus einer zugfesten bindegewebi- gen Hülle, die aus Lamellen von Typ-I-Kolla- genfasern aufgebaut ist und Dehnbarkeit und Festigkeit verleiht. Sie stabilisiert den Gallertkern und verhindert somit einen Vorfall in den Wirbelkanal. Am Übergang zur Innenzone des Anulus fibrosus geht das straffe Bindegewebe der Außenzone ohne scharfe Grenze in ein faserknorpeli- ges Gewebe über, deren Typ-II-Kollagenfa- sern in die knorpeligen Deckplatten der Wirbelkörper übergehen. In der Mitte befindet sich der Gallertkern, der für Kom- primierbarkeit und damit Abfederung ver- antwortlich ist. Im Laufe des Lebens verän- dert sich die molekulare Zusammenset- zung dieser Schichten (Alterung), was dazu führen kann, dass die Außenzone ihre Fes- tigkeit verliert oder der Gallertkern durch Kalziumeinlagerungen weniger kompri- mierbar ist (1, 2). Insgesamt kann die Band- scheibe dünner werden und sich in den Wirbelkanal vorwölben. Das führt zur Kompression von Nervenfasern und damit zu den bekannten Bewegungsausfällen und Schmerzen. Warum sind kurzläufige Rassen davon besonders betroffen? Der Teckel und andere kurzläufige Rassen sind entstanden durch Herauszüchtung eines Gendefektes, der zur Störung des Längenwachstums der Röhren- knochen führt und mit Veränderungen der Knorpelzellen und Knorpelstruktur einher- geht (Chondrodysplasie). Heute weiß man, dass ein bestimmter Wachstumsfaktor (FGF-4; Fibroblastenwachstumsfaktor-4) dafür verantwortlich ist, der in der Embryo- nalentwicklung in einer bestimmtenMenge das richtige Längenwachstum der Röhren- knochen steuert (3, 4). In diesem Fall ist es nicht das Fehlen dieses Faktors, sondern zu viel davon. Das geschieht durch den Einbau mehrerer Kopien des betreffenden Gens in das Genom auf verschiedenen Chromoso- men. Man spricht in solch einem Fall von Genduplikation und die duplizierten Gene nennt man Retrogene. Das ist ein normaler Vorgang der Evolution. Unser Genom ist nicht starr, sondern verändert sich ständig und versetzt uns damit in die Lage, uns bes- ser an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Nicht alle Änderungen mün- den in einen Vorteil, es gibt durchaus nega- tive Folgen für das Individuum. Für chondro- dystrophe Rassen bedeutet es eine Verkür- zung der Läufe in unterschiedlichem Aus- maß (je mehr Kopien FGF-4, desto kürzer) und andere anatomische Merkmale, wie die nach außen gestellten Vorderpfoten, die durch ein ungleiches Wachstummit Verkür- zung eines Unterarmknochens (short-ulna Syndrom) entstehen. Wachstumsstörungen der Wirbelsäule können zu Formverände- rungen der Wirbelkörper führen, wofür jedoch kein erhöhtes Risiko für Bandschei- benvorfälle nachgewiesen ist. Es konnte jedoch eine Verbindung hergestellt werden zwischen dem Vorkommen von zusätzli- Bandscheiben- vorfall beim Teckel Aktueller Stand der Wissenschaft Vortrag anlässlich der Züchtertagung am 25. Juli 2020 von Dr. Dagmar Heydeck Abbildung 1: Anatomie der Bandscheibe (aus: PROMETHEUS Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem von Michael Schünke, Erik Schulte, Udo Schumacher LernAtlas der Anatomie. 5. überarbeitete Auflage, Georg Thieme Verlag 2018).

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